Stuttgart/Berlin (ots)
EU: Kinder unter 15 Jahren kommen meist als Fahrzeuginsassen ums Leben
- "Elterntaxi" ist oftmals kontraproduktiv - Retroreflektierende Elemente können lebensrettend sein
„Junge von Auto überrollt“, „Mädchen beim Überqueren der Straße von Bus erfasst“, „Mann überfährt Kind beim Ausparken“ und viele Schlagzeilen mehr: In regelmäßigen Abständen rütteln Nachrichten wie diese auf und machen deutlich, welch großen Gefahren insbesondere Kinder unter 15 Jahren im Straßenverkehr ausgesetzt sind. In den letzten Jahren hat sich zwar vieles zum Positiven hin entwickelt. Waren zum Beispiel 2005 in der EU in dieser Altersgruppe noch 1.325 Unfallopfer zu beklagen, verunglückten 2017 „nur“ noch 593 Kinder im Straßenverkehr tödlich. „Insbesondere in Deutschland und Europa wurden schon große Fortschritte erzielt. Aus diesen Erfahrungen können auch andere Regionen der Welt Maßnahmen ableiten. Doch auch hierzulande gibt es noch Potenziale, die Verkehrssicherheit von Kindern weiter zu verbessern“, mahnte Clemens Klinke, Mitglied des Vorstands DEKRA SE, bei der Vorstellung des DEKRA Verkehrssicherheitsreports 2019 in Berlin. Im Mittelpunkt des Reports stehen diesmal Kinder unter 15 Jahren. Eine gesonderte Beilage für Kinder unterstreicht, wie wichtig DEKRA gerade auch die Sicherheit der jüngsten Verkehrsteilnehmer auf der Straße ist.
Verkehrsunfälle, bei denen Kinder getötet oder schwer verletzt werden, sind immer wieder aufs Neue erschütternd. Angehörige leiden darunter genauso wie Unfallgegner. Weltweit sterben täglich 300 Kinder unter 15 Jahren bei Verkehrsunfällen, so das Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME) der University of Washington. Das hat vielerlei Ursachen: Fehlende Erfahrung, falsche Risikoeinschätzung und Unachtsamkeit auf Seiten der Kinder spielen dabei ebenso eine Rolle wie unzureichende Rücksichtnahme oder zu hohe Geschwindigkeit und Ablenkung auf Seiten der übrigen Verkehrsteilnehmer. „Handlungsfelder für eine nachhaltige Verbesserung gibt es zur Genüge“, sagte Clemens Klinke bei der Präsentation des Reports beim Parlamentarischen Abend in der baden-württembergischen Landesvertretung.
Der Report zeigt auf, wo es – in den Bereichen Mensch, Fahrzeugtechnik und Infrastruktur – anzusetzen gilt, um alle Potenziale für die weitere Verbesserung der Verkehrssicherheit von Kindern effizient zu nutzen.
Zu den wichtigsten Aufgaben zählt dabei die Verkehrserziehung, die idealerweise schon im Vorschulalter beginnt. Denn entwicklungsbedingt sind Kinder oft nicht in der Lage, in Gefahrensituationen die richtige Entscheidung zu treffen. Zusätzlich müssen aber auch alle anderen Verkehrsteilnehmer für die besonderen Verhaltensweisen von Kindern im Straßenverkehr sensibilisiert werden. „Erwachsene Verkehrsteilnehmer und hier vor allem die Eltern sollten außerdem immer mit gutem Beispiel vorangehen und sich ihrer Vorbildrolle bewusst sein – zum Beispiel wenn sie eine Straße überqueren oder wenn sie beim Radfahren einen Helm tragen“, gab der DEKRA Vorstand zu bedenken.
Neben der Verkehrserziehung ist es wichtig, gerade in der Umgebung von Kindergärten und Schulen für eine sichere Straßenverkehrsinfrastruktur zu sorgen, etwa durch Maßnahmen zur Geschwindigkeitsreduzierung. Schließlich hat bei einem Unfall die Kollisionsgeschwindigkeit gravierende Auswirkungen auf die Schwere von Verletzungen. Wichtig ist auch das Thema „Elterntaxi“. Es ist ohne Zweifel gut gemeint, den Nachwuchs quasi bis vor die Türe mit dem eigenen Auto zu fahren. Das „Elterntaxi“ trägt aber nicht dazu bei, das selbstständige und sichere Verhalten von Kindern im Straßenverkehr zu fördern, sondern sorgt oftmals im Umfeld von Kindergärten und Schulen für zusätzliches Gefährdungspotenzial.
Ergänzend zu einer guten Infrastruktur mit intakten und ausreichend beleuchteten Straßen, Geschwindigkeitsüberwachungen an Gefahrenstellen, entsprechenden Beschilderungen im Umfeld von Kindergärten und Schulen sowie vielen weiteren Maßnahmen können speziell Kinder im Straßenverkehr auch selbst zu ihrer eigenen Sicherheit beitragen. Zum Beispiel dadurch, dass sie kontrastreiche Kleidung mit retroreflektierenden Elementen tragen und ihre Fahrräder über funktionsfähige Bremsen und lichttechnische Einrichtungen verfügen.
Häufige Unfallursache im Straßenverkehr sind Fehler des Menschen wie beispielsweise Ablenkung. Neuerliche Tests von DEKRA für den Verkehrssicherheitsreport zeigen dabei wieder das große Nutzenpotenzial von automatischen Notbrems-Assistenzsystemen mit Fußgängererkennung.
Zur aktuellen Diskussion in Deutschland über die Verordnung für die Zulassung von Elektrokleinstfahrzeugen bezog DEKRA Vorstand Klinke in Berlin klar Position: „Wir halten es für richtig, die E-Scooter nicht auf dem Gehweg fahren zu lassen. Das würde aus unserer Sicht zu große Unfallrisiken bergen. Die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Fußgängern und E-Rollern ist zu hoch. Die Tatsache, dass die E-Roller nahezu lautlos unterwegs sind, erhöht die Unfallwahrscheinlichkeit zusätzlich. Der Gehweg gehört den Fußgängern. Wenn dort E-Roller fahren sollen, dann mit Schrittgeschwindigkeit, also höchstens 6 km/h; ansonsten sind sie auf dem Radweg besser aufgehoben“, so Klinke. Auch bezüglich der Nutzungsregeln sieht Klinke Regelungsbedarf. „Wer sich mit Fahrzeugen im Straßenverkehr bewegt, muss die Regeln kennen.“
Der neueste DEKRA Verkehrssicherheitsreport steht online unter www.dekra.de/verkehrssicherheitsreport zur Verfügung. Weitergehende Inhalte zum gedruckten Report, etwa in Form von Bewegtbildern oder interaktiven Grafiken, finden sich online unter www.dekra-roadsafety.com.
DEKRA Forderungen für mehr Verkehrssicherheit
- Kinder müssen auf jeder Fahrt mit geeigneten alters- beziehungsweise größengerechten Rückhaltesystemen gesichert werden. - Fahrrad fahrende Kinder sollten unbedingt immer einen Helm tragen. - Fahrräder, auch die von Kindern, müssen mit funktionsfähigen aktiven und passiven lichttechnischen Einrichtungen ausgestattet sein, damit Rad fahrende Kinder zu jeder Tageszeit gut sichtbar sind. - Eltern müssen ihren Kindern ermöglichen, alters- und entwicklungsgerecht ihre eigenen Erfahrungen im Straßenverkehr zu sammeln und entsprechende Kompetenzen zu erwerben. - Das "Elterntaxi" muss, wenn es sich nicht vermeiden lässt, zumindest so organisiert werden, dass niemand im schulischen Umfeld gefährdet wird. - Einmündungs- und Kreuzungsbereiche sowie Überwege müssen von Sichtbehinderungen jeglicher Art freigehalten werden. - Schulwege sowie Bereiche um Schulen, Kindergärten und Spielplätze sollten grundsätzlich durch Geschwindigkeitsbegrenzungen von maximal 30 km/h sicherer gemacht werden. - Verkehrserziehung vom Kindergarten- bis ins Jugendlichen-Alter ist für eine sichere Teilnahme am Straßenverkehr unerlässlich. Insbesondere muss Kindern bekannt sein, welche Regeln für Fußgänger und Radfahrer gelten. - Jeder Erwachsene muss sich bewusst sein, dass er eine Vorbildrolle für Kinder hat. Im Straßenverkehr sollte man sich daher immer so verhalten, dass Kinder das Verhalten adaptieren können, ohne dadurch in gefährliche Situationen zu kommen.
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